Mit der Veröffentlichung der sog. „Panama Papers“ durch ein Journalistennetzwerk im April 2016 wurde der Allgemeinheit erstmals in größerem Umfang bewusst, welch gigantisches Ausmaß die Steuerumgehung unter Einsatz von Domizilgesellschaften angenommen hat. Daraus ist weltweit Druck auf die Politik erwachsen, die bestehenden Möglichkeiten deutlich einzuschränken, mit denen die echten Vermögensverhältnisse, Zahlungsströme bzw. wirtschaftliche Aktivitäten derzeit noch wirksam verschleiert werden können.
Vorrangiges Ziel des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) ist es, die Möglichkeiten einer Steuerumgehung mittels Domizilgesellschaften (sog. Briefkastenfirmen) zu erschweren. Durch erhöhte Transparenz, verbunden mit erweiterten Mitwirkungspflichten, sowohl durch die Steuerpflichtigen als auch durch Dritte (Banken), sowie neuer Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden sollen Domizilgesellschaften künftig wirksamer erkannt werden können. Damit wird das Entdeckungsrisiko steigen und dadurch auch die präventive Wirkung erhöht werden.
Gelingen soll dies durch ein Mehr an Transparenz über „beherrschende“ Geschäftsbeziehungen deutscher Steuerpflichtiger zu Gesellschaften in Drittstaaten. Dies wird unabhängig davon gelten, ob eine Drittstaat-Gesellschaft eigene wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet oder nicht.
Das Gesetz muss nun noch vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden und kann dann am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.
Neben diversen bereits umgesetzten bzw. in Kürze anstehenden Eingriffen im Rahmen des sog. BEPS-Pakets werden mit dem StUmgBG auf nationaler Ebene vor allem im Bereich der Abgabenordnung insbesondere die nachfolgenden Änderungen umgesetzt:
- Das sog. steuerliche Bankgeheimnis (§ 30a AO) wird aufgehoben. Damit müssen die Finanzbehörden künftig weniger Rücksicht auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden nehmen. Dort vorhandene Daten über ausländische Gesellschaften können dann mittels Auskunftsersuchen erfragt und für steuerliche Zwecke über Kontrollmitteilungen genutzt werden.
- Bereits bisher besteht die Möglichkeit von Sammelauskunftsersuchen durch die Finanzbehörden (§ 93 Abs. 1 AO). Die Voraussetzungen hierfür werden in einem neuen Absatz 1a klarer gefasst. Die betroffenen Steuerpflichtigen müssen zumindest dem Grunde nach bestimmbar sein. Definiert wird zudem, wann ein hinreichender Anlass für Ermittlungen besteht. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind damit auch weiterhin unzulässig (§ 93 Abs. 1a AO).
- Beschlossen wurde auch, das sog. Kontenabrufverfahren für Besteuerungszwecke auf die Erhebung von Rückforderungsansprüchen für bundesgesetzlich geregelte Steuererstattungen und Steuervergütungen (z. B. Kindergeld) auszudehnen. Zudem können künftig auch Fälle ermittelt werden, in denen ein inländischer Steuerpflichtiger Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs der AO ist. Eine zusätzliche Abrufbefugnis ermöglicht die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach Aufdeckung unbekannter Steuerfälle (§ 93 Abs. 7 Nr. 4, Nr. 4a und Nr. 4b AO).
- Kreditinstitute müssen die bisher bereits nach § 24c Abs. 1 KWG zu führende Datei künftig auch für steuerliche Zwecke als Kontenabruf-Datei führen. Darin wird zusätzlich auch das jeweilige Identifikationsmerkmal jedes anderen Verfügungsberechtigten und jedes anderen wirtschaftlich Berechtigten i. S. v. § 154 Abs. 2 AO-E festzuhalten sein (§ 93b Abs. 1a AO).
- Dem BZSt ist ein Datenzugriff aus sämtliche in der Kontenabruf-Datei enthaltene Daten erlaubt. Allerdings darf es die IdNr. des Kunden nur an die Finanzverwaltung übermitteln (§ 93b Abs. 2 AO),
- In diesem Zusammenhang ist auch die Aufbewahrungsfrist für Kontenabrufdaten bei Kreditinstitute nach einer Kontenauflösung auf 10 Jahre verlängert worden (§ 24c Abs. 1 Satz 3 KWG).
- Bereits bisher besteht eine Anzeigepflicht für den Erwerb von qualifizierten Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften (§ 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO). Diese Pflicht wird vereinheitlicht und gilt insbesondere für unmittelbare und mittelbare Beteiligungen gleichermaßen. Die Pflicht besteht künftig bereits ab einer 10 %-igen Beteiligung. Entlastend sein wird, dass ein solcher Erwerb künftig nicht mehr innerhalb einer 5-Monatsfrist, sondern erst zusammen mit der abzugebenden Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuererklärung anzuzeigen ist.
- Steuerpflichtige müssen künftig auch Geschäftsbeziehungen zu Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen in Drittstaaten (Drittstaat-Gesellschaft), auf die sie unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss haben, anzeigen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie an dem Unternehmen formal beteiligt sind oder nicht. Seitens der Opposition wird bemängelt, dass damit Briefkastenfirmen in Malta oder Zypern nicht erfasst werden. Eine Pflichtverletzung kann ein Bußgeld von bis zu 25.000 EUR nach sich ziehen (§ 138 Abs. 3 AO). Die Änderungen gelten erstmals für nach dem 31.12.2017 erstmals verwirklichte Sachverhalte. Für bereits zuvor bestehende Beteiligungen ist eine Anzeige im Rahmen der Steuererklärung für 2018 vorgesehen (§ 32 Abs. 3 EGAO).
- Um Rechtsklarheit und eine einfache Umsetzung zu erreichen, wird es unerheblich sein, ob die Drittstaat-Gesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet oder nicht. Die erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen oder eines Dritten greift in beiden Fällen und betrifft damit nicht nur Geschäftsbeziehungen zu “echten“ Domizilgesellschaften, sondern alle Gesellschaften in einem Drittstaat.
- Finanzinstitute werden künftig umfangreicher in Anspruch genommen. Durch eine neue Mitteilungspflicht Dritter über von ihnen hergestellte oder vermittelte Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaat-Gesellschaften fließen den Finanzbehörden die benötigten Erkenntnisse und Daten zu. Bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht haften die Finanzinstitute für dadurch verursachte Steuerausfälle. Zudem droht ein Bußgeld von bis zu 25.000 EUR (§ 138b AO).
- Auf Initiative des Bundesrates wurde bereits jetzt eine Abfragemöglichkeit für die Wirtschafts-Identifikationsnummer geschaffen, auch wenn diese IdNr. derzeit (noch) nicht vergeben ist. Zudem ist die Ermächtigung für eine Rechtsverordnung erfolgt, wonach das elektronische Mitteilungsverfahren an das BZSt als Zieladressat, anstatt an das jeweilige Finanzamt des Steuerpflichtigen erfolgen kann (§ 138c AO).
- Bereits bisher konnte eine von einem verbundenen Unternehmen i.S.d. § 15 AktG erhobene IdNr. verwendet werden. Dies ist künftig auch für bei Unternehmen einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe möglich und vermeidet eine (nochmalige) gesonderte Abfrage der IdNr. (§ 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4).
- Für Steuerpflichtige, die allein oder zusammen mit nahestehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf gesellschaftsrechtliche, finanzielle oder geschäftliche Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben können, wurde eine neue Aufbewahrungsverpflichtung geschaffen. Die Unterlagen sind 6 Jahre lang aufzubewahren. (§ 147a Abs. 2 AO). Zudem wird bei diesen Personen künftig auch ohne besondere Begründung eine Außenprüfung zulässig sein.
- Die Kreditinstitute müssen künftig im Rahmen der Legitimationsprüfung auch das steuerliche Identifikationsmerkmal des Kontoinhabers und auch das jedes anderen Verfügungsberechtigten bzw. jedes anderen wirtschaftlich Berechtigten erheben und aufzeichnen. Neu mit aufgenommen wurde, dass die IdNr. kontinuierlich überwacht und aktualisiert werden muss. Diese Informationen stehen den Finanzbehörden dann im Rahmen des Kontenabrufverfahrens zur Verfügung. Wird einem Kreditinstitut die IdNr. nicht mitgeteilt, ist dies festzuhalten, dem BZSt mitzuteilen und beim BZSt die IdNr. abzurufen. Ebenfalls neu hinzukam noch eine Ausnahmeregelung: Eine Erhebung der Steuer-IdNr. entfällt bei Krediten für Konsumgüter mit einem Kreditrahmen von bis zu 12.000 EUR (§ 154 Abs. 2 AO). Hierzu wurden Übergangsfristen bis zum 31.12.2019 bzw. 30.9.2020 geschaffen (§ 26 Abs. 2 und 5 EGAO).
- Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge im Zusammenhang mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft i. S. d. § 138 Abs. 3 AO beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen bekannt geworden sind, spätestens aber nach 10 Jahren. Wird die Mitteilungspflicht verletzt, ist der Beginn der steuerlichen Festsetzungsfrist und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung gehemmt (§ 170 Abs. 7 AO).
- Die Zahlungsverjährungsfrist verlängert sich in Fällen der Steuerhinterziehung allgemein von 5 auf 10 Jahre (§ 228 Satz 2 AO). Damit wird eine Angleichung an die Dauer der Festsetzungsverjährung für hinterzogene Steuern (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) erreicht. Praxisrelevanz hat dies vor allem auch bei einer zu Unrecht erfolgten Anrechnung von Kapitalertragsteuer bei Steuerfreiheit der zugrunde liegenden Einnahmen. Ferner entfallen damit sonst ggf. auftretende Probleme bei der Realisierung hinterzogener Steuern, die von der insolvenzrechtlichen Rechtsschuldbefreiung ausgenommen sind.
- Eine bessere Struktur und Gliederung ist für die Unterbrechungstatbestände bei der Zahlungsverjährung und deren Dauer erfolgt. Eine inhaltliche Änderung tritt dadurch aber nicht ein (§ 231 AO).
- Der Katalog der besonders schweren Fälle einer Steuerhinterziehung wurde erweitert um die fortgesetzte Steuerhinterziehung durch verdeckte Geschäftsbeziehungen zu einer beherrschten Drittstaat-Gesellschaft i. S. d. § 138 Abs. 3 AO (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO).
- Auch wird eine strafbefreiende Selbstanzeige hierzu ausgeschlossen (§ 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO). Zudem gilt auch insoweit künftig die 10-jährige Verjährungsfrist für die Strafverfolgung (§ 376 Abs. 1 AO).