Im nationalen und europäischen Arbeitsrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund gegenüber anderen benachteiligt werden dürfen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird im nationalen Recht durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erweitert, wo sich Regelungen u.a. zur Benachteiligung einzelner Beschäftigter, aber auch von Bewerbern im vorvertraglichen Stadium, finden.
Der Allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die in einer vergleichbaren Lage sind, bei selbst geschaffenen Regelungen nicht ungleich behandeln. Wird eine Gratifikation oder sonstige Sonderzahlung freiwillig gezahlt, stellt dies z.B. eine begünstigende Maßnahme dar, welche allen vergleichbaren Angestellten des Betriebes gleichermaßen geleistet werden muss.
Verstößt ein Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gleichbehandlung, also auf die gegenüber den bevorteiligten Arbeitnehmern erbrachte Leistung. Man spricht von einer „Anpassung nach oben“, wonach die jeweilige Leistung (z. B. eine Sonderzahlung) allen Arbeitnehmern zu gewähren ist.
In Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes stellt das AGG bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes weitere Ansprüche zur Verfügung, insbesondere Ansprüche auf Schadenersatz oder Entschädigung für den Benachteiligten.
Hauptanwendungsfall des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind Einmal- und Sonderzahlungen. Zwar gilt bei der Lohngestaltung allgemein der Grundsatz der Privatautonomie, welcher den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, in Arbeitsverträgen individuelle Regelungen zur Ausgestaltung und Höhe des Arbeitsentgeltes zu vereinbaren. Allerdings wäre eine schlechtere Bezahlung nicht rechtmäßig, wenn dies in irgendeiner Form eine Benachteiligung im Sinne des AGG darstellen würde. Beschäftigte dürfen weder unmittelbar noch mittelbar benachteiligt werden aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
Geschlechtsspezifische Gleichbehandlung
Bezahlt z.B. ein Arbeitgeber seine angestellten Mitarbeiterinnen schlechter, als die angestellten Mitarbeiter, liegt eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts und damit ein Verstoß gegen das AGG vor.
Im Jahr 2017 trat hier das sog. Entgelttransparenzgesetz in Kraft, welches dazu dienen soll, das Lohngefälle zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitern auszugleichen. Gemäß § 10 Entgelttransparenzgesetz haben Arbeitnehmer (Mann oder Frau) einen Anspruch auf Auskunft über die Bezahlung vergleichbarer Arbeitnehmer des jeweils anderen Geschlechts. Dies in Betrieben mit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeitern.
Gleichbehandlung beim Urlaub
Bei der Urlaubsgewährung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber darf einzelnen Arbeitnehmern nicht weniger Erholungsurlaub gewähren, als anderen. Dies gilt ebenso im Verhältnis zu Teilzeitkräften und geringfügig Beschäftigten, für welche der Erholungsurlaubsanspruch zumindest anteilig berechnet werden muss. Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte dürfen nicht einfach auf den gesetzlichen Mindesturlaub herabgesetzt werden, wenn alle anderen Arbeitnehmer im Betrieb zusätzliche Tage Sonderurlaub bekommen.
Voraussetzung der Ungleichbehandlung
Die Voraussetzungen, wann eine sanktionierbare Benachteiligung einzelner Beschäftigter vorliegt, sind komplex. Handelt es sich überhaupt um eine Ungleichbehandlung? Ist diese unter Umständen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt? Wie findet man überhaupt heraus, ob eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Arbeitnehmern vorliegt? Welche Möglichkeiten bestehen, gegen eine Ungleichbehandlung vorzugehen? Sofern Sie mit diesen Fragen konfrontiert sind, stehen wir Ihnen gerne kompetent mit Rat und Tat zur Verfügung.
Wie komplex die rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis sind, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage, ob die Kündigung eines in 1. Ehe geschiedenen Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus wegen dessen Wiederheirat als Benachteiligung wegen der Religion zu qualifizieren ist. Es stellt sich das Problem, ob das Verbot der Wiederverheiratung in einem Krankenhaus mit Trägerschaft der Caritas für katholische Ärzte eine gerechtfertigte Verhaltensanforderung darstellt, wenn diese Verhaltensanforderung nicht für andere Chefärzte desselben Krankenhauses gilt, die nicht katholischer Konfession sind. Kern der Entscheidung auf europäischer Ebene war: Werden von einer Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft an ihre Beschäftigten je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne dieses Ethos gestellt, kann dies nur dann mit Europäischem Recht in Einklang stehen, wenn die Religion im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung darstellt, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das Verbot der Wiederverheiratung gegenüber katholischen Chefärzten erscheint zumindest dann für die Einhaltung des Ethos der Kirche nicht notwendig, wenn andere Chefärzte der Einrichtung, die nicht katholischer Konfession sind, diesen Anforderungen nicht unterworfen werden. Damit werden dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und deren zugeordneten Einrichtungen durch die Entscheidung des EuGH weitere Grenzen gesetzt.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2019 angenommen, dass das Verbot der Wiederverheiratung den Kläger gegenüber anderen leitenden Mitarbeitern, die nicht der katholischen Kirche angehören, wegen seiner Religionszugehörigkeit benachteiligt, ohne dass dies nach § 9 AGG gerechtfertigt wäre. Dies folgt aus einer unionskonformen Auslegung des § 9 AGG, jedenfalls aber aus dem Anwendungsvorrang des Europäischen Unionsrechts. Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Gläubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. Das nationale Verfassungsrecht steht dem nicht entgegen.
Das europäische Recht darf insofern die Voraussetzungen, unter denen die der Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten.
Die umstrittene Entscheidung des EuGH gibt den Gerichten nunmehr konkrete Kriterien für die Prüfung im Rahmen der Gesamtabwägung an die Hand. Das Urteil des EuGH entspricht der vom BAG angestrebten Tendenz, auch wenn es gegenüber der bisherigen Linie des Bundesverfassungsgerichts neue Maßstäbe für die gerichtliche Überprüfbarkeit von Loyalitätsanforderungen des § 9 Abs. 2 AGG setzt. Nach § 9 Abs. 2 AGG berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.
Hier wird besonders klar, wie komplex die Feststellung einer anspruchsauslösenden, unzulässigen Benachteiligung eines Beschäftigten oder Bewerbers sein kann.
Sollten auch Sie mit einem ähnlichen Sachverhalt konfrontiert sein oder sonstige Fragen rund um das Arbeitsverhältnis haben, stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.
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