Material- und Energiepreise explodieren – Einige Handlungsoptionen bei der Preisanpassung für Unternehmer

Die Corona-Pandemie, internationale Krisen und Handelskonflikte sowie Störungen der Lieferketten sind aktuell eine Belastungsprobe für den Mittelstand. Konsequenz sind stark steigende Preise für Rohstoffe, Vorprodukte und Energie. Eine Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen stehen vor dem Problem, ihre Geschäfte trotz der hohen Preise und deren Unkalkulierbarkeit in Zukunft aufrechtzuerhalten. Soweit wie möglich sollte sich der Unternehmer verbindliche Preiszusagen seiner Lieferanten geben lassen. Unternehmen sollten Schutzmaßnahmen ergreifen, um Preisrisiken mit einer durchdachten Vertragsgestaltung abzufedern. Unternehmen sollten in der Angebots-, Anbahnungs- und Vertragsphase mit offenen Preisformulierungen und Preisanpassungsklauseln arbeiten.

Reaktionsmöglichkeiten auf Materialknappheit
Allgemein haben Unternehmen folgende Möglichkeiten, um auf eine am Bezugsmarkt vorherrschende Materialknappheit zu reagieren: eine ausgeweitete Lagerhaltung, flexibler Materialeinsatz, eine Ausweitung des Lieferantenkreises, Netzwerke mit anderen Betrieben aufbauen, eine Anpassung der Vertragsgrundlagen, Maßnahmen zur Energieeinsparung ergreifen, Maßnahmen zur Personalgewinnung /-bindung ergreifen, Reduktion des Geschäftsfeldes, Suche nach neuen Geschäftsfeldern und die Anwendung der Instrumente zur Preisanpassung bei öffentlichen Ausschreibungen und bereits abgeschlossenen Verträgen mit dem Staat.

Handlungsoptionen auf Materialpreissteigerungen
Mit diesem Artikel wollen wir Sie über die Anpassungsmöglichkeiten in ihren Vertragsgrundlagen informieren. Maßgebend ist primär die Prüfung des bestehenden Vertrages. Haben Sie mit Ihrem Vertragspartner für die Lieferung einen Festpreis oder einen festen Einheitspreis vereinbart, so ist dieser grundsätzlich vorrangig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Verkäufer das allgemeine Beschaffungsrisiko tragen muss. Ausnahmen durch besondere Regelungen sind jedoch möglich und anzuraten.
Als Unternehmer müssen Sie Ihren Kunden die Gründe für Preissteigerungen erläutern, um die zusätzlichen Kosten weitergeben zu können. Erklären Sie den Kunden, dass Sie teilweise mit Tagespreisen kalkulieren müssen, die Ihnen die Händler schicken. Außerdem müssen Sie in Ihren Verträgen oder in einer vom Kunden unterschriebenen Zusatzvereinbarung regeln, was bei Preisschwankungen passiert. Insbesondere geben Preisanpassungs- bzw. Preisgleitklauseln Flexibilität. In jedem Falle sollten die vertraglichen Formulierungen klar und vorhersehbar sein. Andernfalls besteht für den Verwender intransparenter Vertragsregelungen das Risiko, dass diese einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Angebotsphase
Grundsätzlich sind Sie als Unternehmer an Ihr Vertragsangebot gebunden, mit der Folge, dass Sie nur den angebotenen Preis berechnen können. Das Risiko einer Preissteigerung trägt der Unternehmer allein. Unternehmer können dieses Risiko mit Vertragsklauseln begrenzen, die aber den Anforderungen des Preisklausel-Gesetzes und dem AGB-Recht genügen müssen.

Folgende Formulierungen sind möglich:
„kurzfristige Preisanpassungen vorbehalten“
„Angebote freibleibend“
„Angebote mit einer Bindefrist“
„Anpassung an eine wöchentliche oder monatlich aktualisierte Preisliste“

Freibleibende Angebote
In diesem Fall kommt der Vertrag nicht bereits zustande, sobald der Kunde darauf eingeht, sondern nur, wenn der Betrieb den Vertragsschluss daraufhin bestätigt. Wir empfehlen daher, bei freibleibenden Angeboten immer sofort auf die Annahmeerklärung des Auftraggebers zu reagieren!

Angebote mit Bindefrist
Nach Ablauf der gesetzten Frist erlischt das Angebot. Bitte beachten Sie, auch mit dem jeweiligen Lieferanten feste Einkaufspreise für die Dauer der Bindefrist zu vereinbaren!

Vertragsabschlussphase
Beim Abschluss neuer, langfristiger Verträge sollten etwaige Preissteigerungen in der Kalkulation des Materialkostenfestpreises berücksichtigt werden. Auch steigende Energiekosten sollten bei der Angebotskalkulation berücksichtig werden. Wichtig ist auch dabei die offene Kommunikation gegenüber den Kunden.

Es gilt der Grundsatz: Konkrete vertragliche Regelungen haben Vorrang!

Preisanpassungsklauseln im Vertrag
Erhöhen oder vermindern sich die vereinbarten Einkaufspreise zum Zeitpunkt der Abrechnung um einem bestimmten Faktor, sind die Einheitspreise der betroffenen Positionen auf Verlangen einer Vertragspartei um diesen Faktor anzupassen.

Beruft sich der Verkäufer auf eine solche Klausel, so muss geprüft werden, ob diese überhaupt wirksam vereinbart wurde. Nach AGB-Recht sind z. B. Klauseln, die eine Preiserhöhung bei einer Lieferfrist von unter vier Monaten vorsehen, gegenüber Verbrauchern unwirksam. Gegenüber Unternehmen soll dies nicht unmittelbar gelten, weil diese Kostensteigerungen häufig an ihre Kunden weitergeben können. Allerdings dürfen Preisanpassungsklauseln auch Unternehmer nicht unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung könnte darin liegen, dass die Klausel intransparent, d.h. nicht klar und verständlich ist.

Preisanpassungsklauseln in Privatkundenverträgen mit längerer Laufzeit können problematisch sein, denn es spricht einiges dafür, dass solche Klauseln in handwerksrelevanten Fallgestaltungen weder AGB-rechtlich noch nach den Vorgaben des Preisklausel-Gesetzes zulässig sein könnten.

Allerdings empfehlen wir, Preisanpassungsklauseln zu vereinbaren, da im Ergebnis nicht von vornherein klar die Unzulässigkeit einer Preisanpassungsklausel zu unterstellen ist. Ist die Preiserhöhung von wirtschaftlicher Bedeutung, dann sollte eine juristische Prüfung der Preisanpassungsklausel auf ihre AGB-rechtliche Wirksamkeit erfolgen.

Change Order Klauseln
Denkbar sind auch sogenannte Change Order Klauseln. Damit können die Vertragsparteien bereits im Vorhinein ein bestimmtes Ablaufverfahren zur eventuellen Preisanpassung vereinbaren. Change Order Klauseln kommen etwa zur Anwendung, wenn zum Beispiel gemeinsam mit dem Liefervertrag auch eine Montagedienstleistung vereinbart wird und hier insbesondere bei komplexen und zeitaufwändigeren Vorgängen, wie der Errichtung einer Anlage. Aus rechtlicher Sicht sind Change Order Klauseln weitgehend unproblematisch, da sich die Vertragsparteien über den neuen Preis zunächst abstimmen müssen.

Vertragsphase

Zusatzvereinbarung einer Preisanpassung
Voraussetzungen für die Gestaltung von Preisanpassungsklauseln und Zusatzvereinbarungen ist eine eindeutige Grundlage für die Beurteilung der Ausgangspreise – dazu müssen die kalkulierten Preise der von der Anpassung betroffenen Positionen gegenüber dem Vertragspartner offengelegt werden. Den Kunden muss deutlich gemacht werden, dass der Vertrag nur dann zustande kommt, wenn auch die gesonderte Vereinbarung zu den Materialpreisen unterzeichnet wurde. Der Nachweis für die Preisänderung muss von der Partei geführt werden, die die Anpassung verlangt.

Sieht der konkrete Vertrag keine ausdrückliche Preisanpassungsklausel vor, so ist nach deutschem Recht eine Anpassung des Vertrags im Sinne einer Preisanpassung nur sehr eingeschränkt möglich.

Die aktuellen Preisentwicklungen könnten bei laufenden Verträgen zu einem „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ führen.

Verändern sich die Einkaufspreise erheblich, sollte bei laufenden Vertragsverhältnissen der Vertragspartner darüber informiert werden. Im Wege einer offenen Kommunikation mit dem Geschäftspartner sollten Sie versuchen, vertragliche Nachverhandlungen zu führen und gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags zu vereinbaren, z.B. eine Zusatzvereinbarung. In vielen Fällen wird sich zeigen, dass viele Abnehmer tatsächlich offen für Gespräche über Preisanpassungen sind. Der Verlust eines guten Lieferanten und die Gefährdung von laufenden Projekten auch noch aus diesem Grunde können nicht in ihrem Interesse liegen, zumal die Ersetzung des Partners ebenfalls zur Zahlung aktueller (erhöhter) Preise führen würde.

Ist der Geschäftspartner aber nicht zu einer Nachverhandlung des Preises bereit, bleibt in der Regel nur noch der Weg, eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu verlangen. Das hängt jedoch von den Umständen jedes Einzelfalls ab. Für ein Preiserhöhungsverlangen des Verkäufers kommt der sogenannte Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann eine Vertragspartei, die Anpassung des Vertrages verlangen, wenn sich nach Vertragsabschluss Umstände massiv verändert haben, die Grundlage des Vertrages geworden sind, ohne dass die geänderten Umstände in den Risikobereich einer der beiden Seiten fallen und es in der Folge einer Seite nicht mehr zumutbar ist, sich am Vertrag festhalten zu lassen. Nur wenn diese Voraussetzung vorliegen, besteht ein Anspruch auf Preisanpassung.

Weigert sich der Kunde, auf Anpassungen im Vertrag einzugehen, wäre unter Umständen auch eine außerordentliche Kündigung des Vertrages in Betracht zu ziehen.

Auswirkungen des Gasengpasses auf bestehende Lieferketten
Die Auswirkungen einer beschränkten Energieversorgung können weitreichende Folgen auf die Vertragsbeziehungen zwischen einer Vielzahl von Unternehmen haben und somit auch bestehende Lieferketten empfindlich stören. Der Gaslieferengpass und die daraus folgenden Störungen können sich auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Lieferanten und dem Hersteller und auf die Vertragsbeziehung zwischen dem Hersteller und dessen Kunden je nach Einzelfall auswirken. Die mögliche Einschränkung der Gasversorgung kann je nach Einzelfall etwa dazu führen, dass

  • Unternehmen von einzelnen Leistungspflichten aus ihren Vertragsverhältnissen infolge von Unmöglichkeit befreit werden,
  • für Unternehmen ein Rücktrittsrecht von ihren Verträgen entsteht,
  • vertragliche Regelungen im Falle Höherer Gewalt eingreifen, oder
  • eine Störung der Geschäftsgrundlage das betroffene Unternehmen zu einer Vertragsanpassung bzw. Kündigung des Vertrages berechtigt.

Anspruchsgrundlagen und Rechtsfolgen bei einer so bedingten Leistungsstörung sind im jeweiligen Einzelfall und für jedes einzelne Vertragsverhältnis innerhalb der Lieferkette getrennt zu beurteilen.

Sonderfall Öffentliche Vergabe
Bei Bauvorhaben des Bundes regelt ein bis 31. Dezember 2022 befristeter Erlass des Bundesbauministeriums vom 22. Juni 2022 (Verlängerung und Nachschärfung des zunächst bis 30. Juni befristeten Erlasses) die Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln in neuen und laufenden Vergabeverfahren sowie in bestehenden Verträgen. Bei allen anderen öffentlichen Aufträgen sollten Betriebe prüfen, ob Stoffpreisgleitklauseln im Vertrag vereinbart sind. Vor Abgabe eines Angebots im Vergabeverfahren sollte beim öffentlichen Auftraggeber diesbezüglich nachgefragt werden.
Soweit Sie fachkundige Unterstützung und Beratung zu diesem Thema benötigen, können Sie per E-Mail unter info@dr-schneiderbanger.de sowie per Telefon unter 09281/71550 und 0961/470350 jederzeit gerne mit uns Kontakt aufnehmen.


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