In der Umsetzung eines EuGH Urteils aus dem Jahr 2019 hat das BAG bekanntlich im September 2022 entschieden, dass Arbeitgeber nach § 3 Absatz 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet sind, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen.
Arbeitgeber haben nach der Rechtsprechung hier einen Spielraum. Der Arbeitgeber muss die Arbeitszeiterfassung danach nicht zwingend elektronisch durchführen. Er kann die Erfassung der Arbeitszeit auf Arbeitnehmer delegieren und sich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Nach dem BAG sollen dem Arbeitgeber nicht unmittelbar Bußgelder drohen, wenn er gegen diese Verpflichtung verstößt, da das Arbeitsschutzgesetz keinen entsprechenden Bußgeldtatbestand beinhaltet und eine Ordnungswidrigkeit erst vorliegt, wenn die zuständige Behörde nach § 22 Arbeitsschutzgesetz eine entsprechende Anordnung trifft.
Am 18. April 2023 hat das BMAS einen Referentenentwurf „Entwurf eines Geseztes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften“ vorgelegt, welcher innerhalb der Bundesregierung erst noch abgestimmt werden muss. Dieser Referentenentwurf geht jedoch möglicherweise weit über das Ziel hinaus und setzt höhere Anforderungen an eine ordnungsgemäße Arbeitszeiterfassung als die BAG- Rechtsprechung. Die Fachmedien gehen hier davon aus, dass zwingend notwendige Änderungen des Referentenentwurfes erfolgen und dringend Flexibilisierungsmöglichkeiten bei der Arbeitszeit zugunsten Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschaffen werden müssen, dies auch um die Vertrauensarbeitszeit weiter attraktiv zu halten.
Die Eckpunkte des aktuellen Referentenentwurfes stellen sich wie folgt dar:
Grundsatz der täglichen elektronischen Zeiterfassung
- Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.
- Der Arbeitgeber hat ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit eingewilligt haben.
- Der Arbeitgeber hat die Aufzeichnungen der Arbeitszeit mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung ist nicht vorgeschrieben, so dass neben den gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mit Hilfe von elektronischen Anwendungen wie Apps oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme möglich sind. Entgegen der BAG Entscheidung wird demnach eine händische Aufzeichnung nicht mehr ohne weiteres möglich sein.
Ausnahmen von der täglichen elektronischen Erfassung
In Tarifverträgen oder aufgrund eines Tarifvertrages im Rahmen einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, dass die Aufzeichnung an einem anderen Tag (spätestens bis zum Ablauf des 7. Kalendertages nach dem Tag der Arbeitsleistung) oder die Aufzeichnung in nicht-elektronischer Form erfolgen kann.
Persönlicher Geltungsbereich Arbeitnehmer
Die elektronische Zeiterfassung kann insbesondere nicht für leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten. Außerdem kann tarifvertraglich zugelassen werden, dass die elektronische Aufzeichnung nicht für Arbeitnehmer Anwendung findet, bei denen die Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.
Delegationsmöglichkeit
Die Aufzeichnung kann vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer oder auf Dritte delegiert werden, wobei der Arbeitgeber dann aber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich bleibt. Der Arbeitgeber kann sich lediglich auf Stichproben beschränken und muss bedenken, dass der keinerlei Einfluss darauf hat, wie sorgfältig der Arbeitnehmer im konkreten Fall die Arbeitszeiterfassung vornimmt. Wenn der Arbeitgeber zusätzlich vertraglich auf die Kontrolle der vereinbarten Arbeitszeit verzichtet, hat der Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen zumindest sicher zu stellen, dass ihn Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.
Problematisch wird dies im Falle der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit. Der Referentenentwurf versucht den Konflikt einer Arbeitszeiterfassung zur Vertrauensarbeitszeit dadurch zu lösen, dass eine elektronische Aufzeichnung es dem Arbeitgeber erleichtern soll, die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit aufzuzeichnen, ohne die vertragliche Arbeitszeit kontrollieren zu müssen.
Informations- und Bereithaltungspflicht
Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren und ihm Kopien der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Zudem hat der Arbeitgeber mindestens für die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung die erforderlichen Aufzeichnungen im Inland, in deutscher Sprache insgesamt nicht länger als zwei Jahre, auf Verlangen der Aufsichtsbehörde am Ort der Beschäftigung bzw. bei Bauleistungen auf der Baustelle bereit zu halten.
Übergangsfristen
Der Entwurf sieht differenzierte Übergangsfristen vor mit grundsätzlich einem Jahr, zwei Jahre für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern und fünf Jahre für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern.
Beschäftigte im Straßenverkehr
Für Beschäftigte im Straßenverkehr sieht der Entwurf abweichende Sonderregelungen vor.
Sanktionen
Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis zu 30.000,00 € geahndet werden, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig die Aufzeichnungen nicht/nicht richtig/nicht vollständig/ nicht in der vorgeschriebenen Weise/ nicht rechtzeitig erstellt oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt oder die Aufzeichnungen nicht/ nicht vollständig/ nicht für die vorgeschriebene Dauer bereithält oder wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig nicht über die aufgezeichnete Arbeitszeit informiert oder eine Kopie zur Verfügung stellt.
Soweit Sie fachkundige Unterstützung und Beratung zu diesem Thema benötigen, können Sie per E-Mail unter info@dr-schneiderbanger.de sowie per Telefon unter 09281/71550 und 0961/470350 jederzeit gerne mit uns Kontakt aufnehmen.
Bildnachweis:
Bild-Nummer: 267933097 Ralf Geithe – stock.adobe.com