Preisexplosion am Bau

Die Preise für Bau- und Betriebsstoffe explodieren. Die Kosten für die Erstellung von Bauwerken in Deutschland sind nach Angaben des statistischen Bundesamtes gegenüber dem Vorjahr um rund 14 % gestiegen, was seit über 70 Jahren der höchste Anstieg der Preise für Baumaterial wie Holz, Stahl, aber auch Betriebsstoffe, bedeutet. Die Kosten für Material, Rohstoffe und Energie steigen so rasant wie nie zuvor. Preissteigerungen waren auch vor dem Ukraine Krieg zu verzeichnen, jedoch dreht sich die Preisspirale immer weiter nach oben, sofern Nachschub an Material überhaupt noch zu bekommen ist. Der Ukraine Krieg führt auch zu erheblichen Problemen auf deutschen Baustellen, da Deutschland, einen erheblichen Anteil seines Baustahls aus Russland und der Ukraine erhält. Gestörte Lieferketten sind die Ursache dafür, dass viele Materialien überhaupt nicht mehr zu bekommen sind, oder erheblich teurer. Dies betrifft auch viele erdölbasierte Produkte, wie etwa Bitumen, Kunststoffrohre oder Dieselkraftstoff.

Rechtliche Hintergründe und Reaktionsmöglichkeiten für Unternehmer

Im Grundsatz gilt, dass bei Veränderung der Einkaufspreise nach Vertragsschluss grundsätzlich der Bauunternehmer das Kalkulationsrisiko trägt. Nur in besonderen Fällen sind hiervon Außnahmen denkbar.

Preisanpassungsmöglichkeiten

Zunächst sollten Sie prüfen, ob in bereits bestehenden Vertragsverhältnissen in sogenannten Preisanpassungsklauseln geregelt wird, inwieweit sich bei einer Änderung der Markt- und Einkaufspreise der Materialien aus dem Angebot sich auch die vertraglichen Materialpreise der jeweiligen Positionen für das Bauvorhaben ändern. Bei Verträgen mit Verbrauchern sind derartige Preisanpassungsklauseln in der Regel nicht vorhanden, da diese keine geeignete Lösung darstellen, weil sie in handwerksrelevanten Fallgestaltungen AGB-rechtlich in den meisten Fallkonstellationen einer Überprüfung nicht standhalten.
In Verträgen und Bauvorhaben des Bundes regelt seit 25. März 2022 ein bis zunächst 30. Juni 2022 befristeter Erlass des Bundesbauministeriums die Anwendung von sogenannten Stoffpreisgleitklauseln in neuen und laufenden Vergabeverfahren, sowie in bestehenden Bauverträgen. Bei allen öffentlichen Aufträgen sollten Unternehmen prüfen, ob solche Stoffpreisgleitklauseln bereits im Vertrag vereinbart sind. Vor Angebotsabgabe im Vergabeverfahren ist allen zu empfehlen, dass Unternehmen diesbezüglich ausdrücklich beim öffentlichen Auftraggeber nachfragen.

Nach dem Erlass sollen neue Verträge mit Preisgleitklauseln versehen werden, die eine Anpassung an die Marktentwicklung ermöglichen, doch auch in bestehenden Verträgen können die Preise nachträglich angepasst werden. Der Erlass ordnet aktuell für die Produktgruppen Stahl und Stahllegierungen, Aluminium, Kupfer, Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut etc.), Epoxidharze, Zementprodukte, Holz, gusseiserne Rohre die Anwendung der Stoffpreisgleitklauseln an. Für öffentliche Bauleistungen ist der Erlass zunächst befristet bis 30. Juni 2022 verbindlich.
Auch bei öffentlichen Aufträgen der Länder sind die Landesinnungsverbände sehr aktiv, schnellstmöglich eine analoge Regelung auch von den Landesregierungen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene zu erhalten.

Die Vereinbarung von Preisgleitklauseln in Bezug auf die Materialkosten stellt eine Möglichkeit dar, für Unternehmen, um sich abzusichern. Hierbei ist jedoch unbedingt zu berücksichtigen, dass derartige Preisgleitklauseln von der Rechtsprechung äußerst streng bewertet werden, weshalb man derartige Vereinbarungen immer individuell aushandeln und vereinbaren sollte und nicht als Standard-Klauseln in AGB´s formulieren sollte.
Das Vergabe- und Vertragshandbuch für Baumaßnahmen des Bundes (VHB) setzt die VOB Teil A und B um und bietet ein Formblatt 225 VHB zu Preisgleitklauseln in neuen Verträgen. Nach der Richtlinie zum Formblat 225 des VHB sind auch Stoffpreisgleitklauseln für Betriebsstoffe bei maschinenintensiven Gewerken ausnahmsweise zulässig unter bestimmten Vorraussetzungen.
Für neue und laufende Vergabeverfahren ist die (nachträgliche) Vereinbarung und Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel zulässig. Für bestehende Verträge gilt, dass diese grundsätzlich einzuhalten sind, Leistungen von den Bauunternehmen gemäß Auftrag auszuführen sind, Anpassungen in bestehenden Verträgen als Folge des Ukraine Krieges und der daraus resultierenden Materialengpässe und Preissteigerungen z.B. durch eine Verlängerung der Vertragslaufzeiten (§ 6 VOB/B), durch Preisanpassungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), durch Preisanpassungen bei Verträgen mit dem Bund nach der Bundeshaushaltsordnung (§ 58 BHO) oder eben durch die nachträgliche Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel gegebenenfalls realisiert werden können.
Allgemein gilt für eine Preisanpassung aufgrund Störung der Geschäftsgrundlage, dass sich die Vertragsumstände nach Vertragsschluss so schwerwiegend geändert haben müssen, also Kostensteigerungen das gesamte Vertragsvolumen derart beeinflusst haben müssen, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag dem Bauunternehmer unzumutbar geworden ist. Hier sind die Umstände jedes Einzelfalles maßgebend. Nach dem Bundeserlass sind die aktuellen Ereignisse grundsätzlich geeignet die Geschäftsgrundlage des Vertrages zu stören. Zwar weist der Bauvertrag das Materialbeschaffungsrisiko grundsätzlich des Sphäre des Unternehmers zu, dies gilt jedoch nicht im Falle höherer Gewalt. Die Rechtsprechung geht von einer Unzumutbarkeit des Festhaltens an unveränderten Vertragspreisen bei Mengen- bzw. Preissteigerungen von 10 – 29 % am Gesamtauftragsvolumen aus. Je geringer der Anteil der betroffenen Positionen am Gesamtauftragsvolumen, desto höher die anzusetzende Schwelle der Kostensteigerung. Bei gestörter Geschäftsgrundlage bestünde im Einzelfall ein Anspruch auf Anpassung der Preise für die betroffene Position.
In jedem Falle sollten Betriebe versuchen mit dem Auftraggeber eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung herbeizuführen. Die Vereinbarung eines Nachtrages zum Bauvertrag setzt eine einvernehmliche Regelung voraus. Verändern sich die Einkaufspreise erheblich, sollte der Unternehmer bei laufenden Projekten den Vertragspartner darüber informieren. Im Wege einer offenen Kommunikation mit dem Geschäftspartner sollte immer versucht werden, vertragliche Nachverhandlungen zu führen, gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrages zu vereinbaren. Beim Abschluss neuer, langfristiger Verträge sollten etwaige Preissteigerungen in der Kalkulation des Materialkostenfestpreises berücksichtigt werden. Auch steigende Energiepreise können bei der Angebotskalkulation berücksichtigt werden.
Es empfiehlt sich Angebote und Verträge doppelt abzusichern, zum einen indem Angebote stets zeitlich befristet werden und zum anderen indem man sich den Materialpreis vom Lieferanten verbindlich zusichern lässt, wobei die Bindungsfrist des Angebotes gleichlaufend sein sollte mit der Preisbindungsfrist des Lieferanten. Bei Angeboten mit dem Zusatz „Angebot freibleibend“ muss der Vertragspartner klar erkennen können, dass das Angebot freibleibend, also nicht verbindlich sein soll, da hier ein Vertrag erst zustande kommt, sobald der Kunde darauf eingeht und der Betrieb den Vertragsschulss durch verbindliche Auftragsbestätigung rückbestätigt.

Beendigungsmöglichkeiten

Wurde in einem Bauvertrag keine Preisgleitklausel einbezogen und sind die VOB/B wirksam einbezogen, kann der Auftragnehmer u.U. von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B gebrauch machen. Vorraussetzung ist, dass es zu einer Unterbrechung oder Verzögerung der Leistungen von mindestens 3 Monaten gekommen sein muss. Besonders zu berücksichtigen ist, dass das Sonderkündigungsrecht des Auftragnehmers nicht erfordert, dass die Arbeiten bereits angefangen wurden, es vielmehr ausreicht, dass sich der vertragliche Beginn um mehr als 3 Monate verschiebt. Diese 3 Monatsfrist gibt Unternehmen die Möglichkeit, Nachverhandlungen hinsichtlich der Materialpreise vorzunehmen. Da aber in der Regel nicht klar sein wird, wie lange die Lieferverzögerung dauert, sollten die Bauunternehmer unbedingt eine Behinderungsanzeige nach §6 Abs. 1 VOB/B nachweislich an den Auftraggeber zustellen.
Für Fälle in denen die Zumutbarkeit des Festhaltens am Bauvertrag nicht durch eine Preisanpassung wieder hergestellt werden kann, besteht gegebenenfalls ein Rücktrittsrecht vom Bauvertrag nach den Vorschriften über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

Soweit Sie Unterstüzung und fachkundige Beratung zu diesen Themen benötigen, können Sie per E-Mail unter info@dr-schneiderbanger.de, sowie per Telefon unter 09281/71550 und 0961/470350 jederzeit mit uns in Kontakt treten.

 


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