Ein Todesfall ist für jeden betroffenen Angehörigen ein schwerer Einschnitt. Neben der starken psychischen Belastung, der Trauer und der Organisation rund um die Beerdigung stellt sich kurz darauf schnell die notwendige Frage nach dem Erbe.
Hinterlässt ein Ehepartner bei seinem Tod seinem überlebenden Ehepartner größere Vermögenswerte, stellt sich die Frage, inwieweit dieser Nachlass mit Erbschaftsteuer belastet ist.
Neben den eventuell gegebenen sachlichen Steuerbefreiungen hat man hier regelmäßig den persönlichen Freibetrag (unter Ehegatten und Lebenspartnern nach dem LPartG derzeit 500.000,00 €) und ggf. den besonderen Vorsorgefreibetrag (unter Ehegatten/Lebenspartnern bis zu max. 256.000,00 €) im Blick.
Haben die Eheleute im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, kann die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer, d. h. der Teil des Nachlasses, von welchem Erbschaftsteuer erhoben wird, unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich auch um einen (fiktiven) Zugewinnausgleichsanspruch gemindert werden.
Wie funktioniert der fiktive Zugewinnausgleich?
Ausgleich des Zugewinns bei Beendigung der Ehe zu Lebzeiten (z. B. durch Scheidung)
Wird die Zugewinngemeinschaft der Ehegatten zu Lebzeiten beider Ehegatten beendet (z. B. durch Scheidung oder Ehevertrag) und hat bis dahin einer der Ehegatten seit Beginn der Ehe einen höheren Vermögenszuwachs (= Zugewinn) erzielt, als der andere, entsteht ein Zugewinnausgleichsanspruch.
Beispiel (der Einfachheit halber sprechen wir in diesem Beispiel von Ehefrau und Ehemann):
Der Vermögenszuwachs (Zugewinn) des Ehemannes innerhalb der Ehe
beträgt 60.000,00 €, der Zugewinn der Ehefrau beträgt 100.000,00 €.
Damit übersteigt der Zugewinn der Ehefrau den Zugewinn des Ehemannes um 40.000,00 €.
Diese Differenz hat die Ehefrau dem Ehemann gegenüber hälftig auszugleichen.
Der Zugewinnausgleichsanspruch des Ehemannes beträgt somit 20.000,00 €.
Da dieser Zugewinnausgleich auf dem Gesetz beruht und damit keine freigiebige Zuwendung darstellt, ist der Zugewinnausgleichsanspruch nicht der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer unterworfen.
Zugewinnausgleich im Erbfall
Wird die Zugewinngemeinschaft erst durch den Tod eines der beiden Ehegatten beendet und der überlebende Ehegatte dann Erbe oder Vermächtnisnehmer, so erfolgt zivilrechtlich grundsätzlich kein Ausgleich des tatsächlichen Zugewinns. Vielmehr wird dieser, unerheblich, ob ein solcher tatsächlich erzielt wurde, pauschal dadurch abgegolten, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ¼ der Erbschaft pauschal erhöht (sogenannte “erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichsanspruchs”).
Zivilrechtlich erhält also der überlebende Ehegatte, unabhängig davon, ob und welcher der Ehegatten einen Zugewinn erwirtschaftet hat, pauschal einen höheren Erbteil (Motiv des Gesetzgebers für diese Regelung: Erhaltung des Familienfriedens durch Vermeidung von Streitigkeiten über Ermittlung und Bewertung von Anfangs- und Endvermögen der Ehegatten im Erbfalle).
Für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke kommt es jedoch darauf an, ob der überlebende Ehegatte gegenüber dem verstorbenen Ehegatten tatsächlich einen (fiktiven) Zugewinnausgleichsanspruch gehabt hätte.
Da dieser (fiktive) Zugewinnausgleichsanspruch bei Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zu Lebzeiten erbschaftsteuerfrei gewesen wäre (s. o.), soll er auch insoweit im Erbfall nicht der Erbschaftsteuer unterworfen werden.
Beispiel:
M und F haben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. M hat in der Ehe einen Zugewinn von 1.000.000,00 € erzielt, F einen Zugewinn von 500.000,00 €. M verstirbt und hinterlässt neben seiner Ehefrau das gemeinsame Kind K. Der Nachlass hat einen Steuerwert/Verkehrswert von 2.000.000,00 €.
Ein Testament ist nicht errichtet.
Erbrechtliches Ergebnis
Der gesetzliche Erbteil von F von ¼ wird pauschal um ¼ erhöht (pauschaler Zugewinnausgleich), sodass F insgesamt einen Anteil von ½ (= 1.000.000,00 €) erbt.
Erbschaftsteuerrechtliches Ergebnis
Da der Zugewinn des M den Zugewinn der F in der Ehe um 500.000,00 € überschritten hat, beträgt die fiktive Ausgleichsforderung der F 500.000,00 € x ½ = 250.000,00 €.
Für den Fall, dass der persönliche Freibetrag von 500.000,00 € und der besondere Vorsorgefreibetrag von 256.000,00 € in vollem Umfange zur Verfügung stehen, bleibt damit unter Berücksichtigung des fiktiven Ausgleichsanspruchs von 250.000,00 € der gesamte Erbteil der M von 1.000.000,00 € steuerfrei.
Fazit zur Erbschaftsteuer und dem Zugewinnausgleich:
In Erbfällen, in denen die Freibeträge überschritten werden oder aber durch Hinterbliebenenrenten gekürzt sind, sollte immer geprüft werden, ob nicht ein (fiktiver) Zugewinnausgleichsanspruch besteht, da hierdurch die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer und damit letztlich die anfallende Erbschaftsteuer in erheblichem Maße vermindert werden kann. Auch im Rahmen der Planung der Nachfolgeregelung kann ein solcher fiktiver Zugewinnausgleichsanspruch schon mit einkalkuliert werden, um eine erbschaftsteueroptimierte letztwillige Verfügung zu errichten.
Hierbei ist dringend zu empfehlen, rechtlichen und steuerrechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, da die Einzelheiten der Ermittlung des fiktiven Ausgleichsanspruchs, der Bewertung des Anfangs- und Endvermögens etc. doch recht komplex sind und es hier einige Besonderheiten gibt.
Für ein Beratungsgespräch stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.
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